Geschlossene Gesellschaft // Keller der kleinen Künste

Konzentriert-reduziertes Tanztheater nach Jean-Paul Sartre

Regie: Dominik Frank, Dramaturgie: Ayna Steigerwald
mit: Teresa Geisler, Marie Golüke, Benjamin Jorns

Konzentriert ist die Erstaufführung dieser Inszenierung in München (nach der Premiere Anfang August in der Vetternwirtschaft in Rosenheim) zu 100%; reduziert ist sie merklich auf existenzielle Minimalbedingungen: nackte Körper, keine Requisiten und dazu der kalte, bloße Kellerboden. Die Zuschauer sind dem Spiel ausgesetzt, zum schauen „gezwungen“, da keine zwei Meter von den Darstellern entfernt. Die Darsteller sind nicht in einem Verlies eingesperrt, sondern von den Zuschauern, die sie ihrerseits zum spielen zwingen. Eine durchaus spannende Theatersituation also.

Zunächst irritiert das „Etikett“ Tanztheater hier etwas. Sicherlich sind es die Körper der Darsteller besonders exponiert durch ihre Nacktheit und jede „Figur“ hat sich ein eigenes Bewegungsmaterial, eine charakteristische Körpersprache angeignet. Dennoch erleben wir in den 1,5 h Aufführungsdauer  vor allem ausgefeilte Betonung, schneidende Laute und wütende Ausbrüche . Wenn die einzelnen Stimmen von Benjamin Jorns, Teresa Geisler und Marie Golüke zeitlich versetzt das erste Mal im Keller der kleinen Künste zu hören sind übertreffen sie die dumpfe Akkustik der Kellerwände sofort und vermitteln eindrücklich die jeweilige Persönlichkeit, die sich hinter den Figuren verbirgt: Joseph, ein von Angst Getriebener („ein Feigling…“), der ein dunkles Ende dieser Gefangenschaft ahnt; Estelle, zu stolz, sich ihrem Gegenüber wirklich zu öffnen; und Ines, eine vermeintlich gefährliche Verführerin, Liebende.

Von Sartres Text sind nur noch Fragmente übrig, doch werden so teils überraschende und irritierende Stimmungen/ Umbrüche geschaffen, die das Gefühl der Orientierungslosigkeit (die Darsteller agieren fast ausschließlich mit verbundenen Augen) unterstützen. Die Figuren sind sich gegenseitig der Folterknecht, scheinen zum leiden gezwungen, müssen sie doch bis ans Ende ihrer Existenz zusammen alleine sein. Besonders in Momenten der Stille gelingt es den Darstellern durch ihre physische Präsenz  die nervenaufreibende Stufe vor einer totalen Eskalation auf uns Zuschauer zu übertragen: sie zittern, kratzen sich nervös, winden sich am Kellerboden entlang – sie sind angespannt, hin- und hergerissen zwischen der Anziehungs- und Abstoßungskraft der Leidensgenossen.

Trotz Momenten der Brutalität, liegt die eigentliche Gewalt (Stärke) der Aufführung darin, dass sie die bis zur äußersten Anstrengung aufgebaute Spannung nicht loslöst oder aufbrechen lässt, sondern einzig die Unerträglichkeit der Existenz erfahrbar macht; ebenso bedeutet konsequenterweise auch das Abnehmen der Augenbinden keine Befreiung für die Figuren.

Ein teils etwas fahriger, aber absolut sehenswerter und bewegender Theaterabend. Schließlich wäre es noch interessant das Verwischen der Grenzen von Tanz-, Sprechtheater und Performance anhand dieser Inszenierung an anderer Stelle zu diskutieren.

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