Das Idiom

Grafische Gestaltung: Pia Kolb
Grafische Gestaltung: Pia Kolb

Berit wacht aus dem Koma auf und versteht die Welt nicht mehr. Ihr autobiografisches Gedächtnis ist gelöscht und Mutter, Ehemann und Freunde sind ihr fremd. Aber viel schlimmer noch: Niemand versteht Berit, wenn sie spricht!

Dabei drückt sich Berit ihres Ermessens klar und deutlich aus. Sie weiß nicht, dass sie plötzlich einen Dialekt spricht, ein sogenanntes „Idiom“. Leider hat sich die Sprache inzwischen zu einer allgemeinen Reinsprache entwickelt in der niemand mehr einen Dialekt spricht oder versteht. Berit wird von ihrem Umfeld belächelt, ihre Mutter und ihr Ehemann wenden sich von ihr ab und TV-Sender reichen sie als Sensation herum. Nach langwierigen, erfolglosen logopädischen Therapiesitzungen weiß Berit, dass sie in dem Krankenhaus keine Hilfe bekommen wird und beschließt abzuhauen.

Pia Kolb hat dieses Stück selbst geschrieben und führt den Zuschauer auf eine überraschend charmante, humorvolle Weise durch die vermeindlich tragische Geschichte von Berit. Dabei wechselt die junge Schauspielerin zwischen der Erzählerin Berit und den verschiedenen Rollen des Ehemannes, der Mutter und Ärzte hin und her. Die Etablierung der verschiedenen Charaktere ist Anfangs schwer nachzuvollziehen, so könnte der erste Auftritt des Ehemanns ebenso der Auftritt der Mutter sein, aber man gewöhnt sich schnell an die einzelnen Figuren. Hilfreich sind Erkennungmerkmale an den Figuren, die durch Körperhaltung, Variation der Stimmlage und einzelner Assecoirs, wie einer Brille oder einer Krüke, gegeben werden.

Das Bühnenbild zeigt ein Krankenzimmer. Es besteht aus weißen Möbeln auf schwarzem Hintergrund. Rechts und Links wird der Raum von zwei weißen Stellwänden flankiert. In der Mitte befinden sich ein Tisch, ein Tageslichtprojektor und eine Leinwand. Auf der rechten Seite steht ein Krankenbett.

Unterstützt wird das Bühnenbild von akustischen Einspielungen wie Geräuschen oder Musik und Lichtwechseln. So verwandelt sich das Krankenzimmer z.B. durch Einspielen von Stimmengewirr und Durchsagen in eine Bahnhofsvorhalle. Es gelingt Pia Kolb verschiedene Orte zu Behaupten und durch Berits emotionale Verfassung eine glaubhafte Atmosphäre zu Schaffen.

Eine unterhalsame Unterstützung bietet der Tageslichtprojektor auf dem die Schauspielerin Bilder malt und auf die Leinwand projeziert. Es ermöglicht dem Zuschauer Berits Wünsche bildlich besser nach zu voll ziehen oder einfach über Missverständnisse wärend der Therapiestunde zu Schmunzeln.

Berits „Idiom“ entpuppt sich für den Zuschauer als bayrischer Dialekt und greift kleine, alltägliche Missvertändnisse auf, die dem Zuschauer nicht fremd sind. Somit fällt es dem Zuschauer leicht mit Berit mitzufühlen und ihrer Geschichte zu Folgen.

Herrausragend für dieses Stück ist Berits Auffassung ihres Zustandes. Anstatt in einer Depression zu Versinken nimmt sie ihren Gedächtnisverlust und ihren Dialekt als Neuanfang wahr. Dadurch vermittelt sie eine optimitische Atmosphäre, die den Zuschauer mit positiven Gedanken zurück in die Realität entlässt.

Gespielt wird noch im theater…UND SO FORT am 16. und 17. Januar 2015 jeweils um 20:00 Uhr.

Zweites Treffen der Münchner privaten Schauspielschulen 2014

Am Mittwochabend, den 20.12.2014, steige ich mit einer Freundin die moosbewachsene Steintreppe, die in die Eingeweide des „theater…UND SO FORT“ führt, hinunter. In dem schmalen Flur drängen sich viele junge Menschen, fröhlicher Lärm schlägt uns entgegen, Begrüßungsrufe schallen quer durch die Schlange. Man kennt sich untereinander.

 

Es ist das zweite Treffen der Münchner privaten Schauspielschulen.

Ein Wettbewerb, den Heiko Dietz, Betreiber des „theater…UND SO FORT“ sowie der privaten Schauspielschule TheaterRaum München, letztes Jahr ins Leben rief. Zu gewinnen gibt es den MAX, dotiert mit einem stattlichen Preisgeld von 1000 Euro.

Gefördert wird das Projekt von THETA e.V. (Verein zur Förderung der freien Theater- und Tanzkultur in München)

 

Die Regeln sind unkompliziert. Zu inszenieren ist eine Performance aus folgenden Vorgaben:

Thema: Rückwärts

Pflichtbühnenbild: 2 weiße Stellwände 1m x 2m, 1 Umzugskarton

Pflichtrequisite: 1 Zollstock (weitere Requisiten erlaubt)

Licht: Einheitslicht, keine Specials (z.B. besondere Farben, Spot etc.)

Ton: Bei Bedarf frei einsetzbar

Darsteller: Mindestens drei

Dauer: 20 Minuten

Genre: Frei

 

Die Teilnehmer dieses Jahr:

ISSA – Int. Schule für Schauspiel & Acting

Neue Münchner Schauspielschule

Schauspielschule München

Schauspielschule Zerboni

TheaterRaum München

 

Gespielt wird an vier Abenden, von Mittwoch bis Samstag. Die Reihenfolge der auftretenden Schulen wird jeden Abend neu ausgewürfelt und dem Publikum erst am Ende des Abends mitgeteilt.

Ein spannendes Ereignis mit Überraschungen, wie z.B. die verschiedenen Interpretationen des Thema „Rückwärts“.

 

Die Neue Münchner Schauspielschule beschreibt dieses Thema in zwei Monologen und einer Szene aus dem Stück „Die Zofen“ von Jean Genet. Verquere Liebe und Sehnsucht, sowie ein rückwärtiger Blick auf das eben Vorgetragene bestimmen die Performance.

Einen zusammengefassten Rückblick auf William Shakespeares „Hamlet“ spielen drei Schüler der ISSA mit viel Witz und choreografierten Bewegungen. So wird z. B. die soeben gespielte Zusammenfassung rückwärts mit den gleichen Worten und Bewegungen akkurat wiederholt.

Mit einem aufregenden Thriller schlägt TheaterRaum München das Publikum in den Bann. Zwei Freunde versuchen ihre vermisste Freundin aus einem dubiosen Forschungslabor zu befreien. Der Zuschauer wird von Rückblenden und lauter Musik verwirrt, bis sich zum Schluss alles in der ersten Szene auflöst.

Die Schauspielschule Zerboni begeistert mit einer Szene zwischen zwei ungleichen Pärchen. Es geht um Betrug, Sehnsucht, Liebe und den Rückblick auf die verschiedenen Ehen, nie Gewagtes und verpasste Erfahrungen. Unterstützt wird diese Performance durch die perfekt synchronisierten Dialoge zwischen den Paaren.

Eine ungewöhnliche Nutzung der Requisiten bietet Schauspiel München. Es geht um vier Schauspieler, die hinter den Kulissen einen Rückblick auf ihre Arbeit, vergangene Beziehungen und Erfahrungen, werfen. Im Fordergrund steht die Inszenierung eines fiktiven Stückes, wozu die Schauspieler in Umzugskartons gehüllt sind.

Insgesamt überzeugen alle Schulen mit großer Spiellaune und einem abwechslungsreichen Programm, welches beste Unterhaltung voller Kreativität bietet.

Ein gelungenes, sehenswertes Projekt, das auf jeden Fall nächstes Jahr wieder stattfinden sollte!

 

 

 Den MAX nahm am letzten Abend die Schauspielschule Zerboni mit nach Hause.

 Herzlichen Glückwunsch!