Ein Mann, vom Schlemmen aufgedunsen, alt und verdorben // Antonio Salieris „Falstaff“ auf Schloss Nymphenburg

„Und ich Dummer darf den Schlummer von dem Schlemmer dann bewachen!“ stöhnt Bardolf neben seinem schnarchenden Dienstherren Sir John Falstaff. Er lehnt sich gähnend an dessen fettleibigen und aufgeblähten Bauch an und fällt mit den Worten „Du kannst auch gleich ins Hospiz gehen, weil’s im Gefängnis mit Falstaff viel zu eng is‘!“ ebenfalls in tiefen Schlaf.

Trotz des mindestens genauso übergewichtigen Verdi-Jahres befinden wir uns nicht in einer „Falstaff“-Aufführung von Verdi, sondern in der von Antonio Salieri fast 100 Jahre zuvor komponierten Version. Die Kammeroper München setzt das 1799 erfolgreich uraufgeführte, heute aber völlig unbekannte Werk, im Hubertussaal auf   Schloss Nymphenburg in Szene. Ähnlich wie bei Verdi steht auch hier die Titelfigur Falstaff im Zentrum des Geschehens: durch Intrigen und Bühnenbriefe wirbelt er die Ehen der Pärchen Ford, Slender und die Liebschaft seines Dieners auf, wobei er schlussendlich selbst das Nachsehen hat. Dass die Oper den Da Ponte-Opern Mozarts, offensichtliche Vorbilder Salieris, oder dem Meisterwerk Verdis das Wasser reichen kann, wäre jedoch eine schamlose Übertreibung.

Dass sie in München dennoch erstaunlich gut funktioniert, liegt an der aktualisierten und modernen Neufassung des Librettos von Dominik Wilgenbus. In seiner intelligenten und durch gewitzte Zitate angereicherten Fassung wird die Handlung von Salieris Oper direkt für Queen Elisabeth I. gegeben, die es sich nicht nehmen lässt, als Regisseurin in die Aufführung von Shakespeares „Falstaff“ einzugreifen. Unterstützt wird diese „Theater auf dem Theater“-Situation durch das Bühnenbild von Irene Edenhofer-Welzl, die mit einer Baugerüstkonstruktion auch auf die öffentlichen Theatergebäude um 1600 verweist: eine kleine und einsehbare Bühnenplattform mit Bühnenvorhang, wenige Requisiten, Versenkungsmöglichkeiten und das Orchester über der Bühne stellen einige Beispiele dafür dar. Dem gegenüber stehen Elemente des höfischen Theaters, wie Elisabeth, Brokat im Hintergrund und Schloss Nymphenburg als Aufführungsort. Mit dieser Lesart reiht sich das Produktionsteam zudem in die „Theater auf dem Theater“-Inszenierungen der Münchner Rezeptionsgeschichte des Falstaff-Stoffes der letzten Jahre ein.

Die beiden Spielebenen werden permanent vermischt, wobei die Trennung zwischen Figuren im Stück und Darstellern im Gespräch mit Elisabeth sehr durchlässig ist. Aus dieser Spannung ergeben sich in der Aufführung äußerst reizvolle Figurenportraits: Mrs. Ford wird beispielsweise als Sängerin gezeigt, die es leid ist, Komödienglück vorzuspielen. Stattdessen will sie sich lieber um ihr Privatleben kümmern, was die Sängerin Athanasia Zöhrer besonders treffend in ihrer letzten Arie zum Ausdruck bringt. Neben einer intensiven Darstellung ihrer emotionalen Verfasstheit gelingen ihr die großen Linien mühelos. Äußerst lyrisch und innerlich wird dagegen ihr Gatte Mr. Ford von Robert Schär gegeben. Der Regisseur Bernd Schadewald zeigt diese Figur im Spannungsfeld zwischen gespielter Liebe, Geschlechterrollen und Transvestismus. Auch Elisabeth muss sich zwischen dem Ausleben ihrer Sexualität, Propagandatheater und freier Kunst immer wieder neu definieren, was Viola von der Burg eindrucksvoll gelingt. Ebenso stehen die übrigen Solisten durch Frische und ihren jugendlichen Spieleifer auf der Positivliste, wobei vor allem noch Florian Pejrimovsky als Falstaff zu hervorzuheben ist, der sich mit wuchtigem Bariton seinen Weg durch das Gewirr an Spielebenen schlägt.

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Begleitet werden sie dazu vom Orchester der Kammeroper München unter dem Dirigat von Nabil Shehata, dem es trotz der ungewöhnlichen Position über dem Bühnengeschehen gelingt, den Kontakt zu den Sängern nicht zu verlieren. Das musikalische Arrangement von Alexander Krampe stellt ein weiteres Positivum der Aufführung dar: Wie bei vielen Kammerfassungen ist auch hier zu beobachten, dass die individuellen Instrumente nicht in einem überbordenden Orchesterklang untergehen, sondern vielmehr individuell wahrgenommen werden können. Besonders gelungen ist der Einbezug von Akkordeon und Marimbaphon, wodurch der Humor auch auf musikalischer Ebene fortgesetzt wird.

Am Schluss des Abends, dem durchaus einige Kürzungen gut getan hätten, scheint es, als ob die Verwischung der Spielebenen überwunden sei und die einzelnen Paare ihre persönlichen Konflikte behoben hätten. Dadurch gestärkt bieten sie Falstaff keine Angriffsfläche mehr für seine Liebeleien und versuchen ihn förmlich von der Bühne herunterzutreiben.

Premiere: 24. August 2013, besuchte Vorstellung: 25. August 2013; weitere Vorstellungen: 28., 29., 31. August, 01., 04., 05., 07., 08., 11., 12, 14. September 2013.

Mr. Tom kommt – Roland Walter

Cafeimpuls

Roland Walter stellte seine neue Show/Performance am Freitag im Cafeimpuls vor.

Ich habe schon ein paar Sachen von ihm gesehen und war gespannt. Vor allem, da er die Performances mit Choreographen erarbeitet hat. Dazu gab es noch eine Buchlesung von seinem Buch „König Roland“ und „Meine Rechten Hände – Das Leben mit Assistenten“.

Dies war zugegeben das Spannendste und Lustigste an diesem Abend. Gelesen von einer Freundin Rolands, zeigt die Autobiographie wie Roland durch das Leben rollt. Und auch das Buch über sein Leben mit Assistenten war sehr aufschlussreich und anektodetnhaft.

Doch hier soll es nicht um die Buchpräsentation gehen, sondern um die zwei Performances.

Vogelflug von Yuko Kaseki dauerte gefühlte drei Sekunden, dann war es schon wieder vorbei. Ich saß hinter einem Pfeiler, konnte also nur die Hälfte sehen. Roland lag auf dem Boden und bewegte sich, aber auch durch die Musik konnte ich keinen Zugang zu der Performance finden. Auf dem Rücken liegend, streckt er die Hände empor und kullert sich über den Boden. Ich habe nicht verstanden, was das mit einem Vogelflug zu tun hat.

Die Performance Mr. Tom von Andrea Jenni war ebenfalls undurchsichtig. Roland Walter sitzt im Rollstuhl mit Glitzerhose, Glitzerhut und Heliumballons in der Hand und fährt ein paar Minuten durch den Raum. Alle Richtungen werden ausprobiert, dazu hören wir Popsongs. Das war`s. Ich habe darin leider keine Choreographie erkannt. Ein Rollstuhlfahrer fährt mit bunten Ballons durch den Raum. Das ist mir leider zu wenig.

In beiden Performances wurde weder eine Geschichte erzählt, noch ein Gefühl vermittelt, noch eine spannende Stimmung erzeugt. Es hat mich einfach nicht bewegt.

Ich denke, wenn man Roland Walter vorher noch nie gesehen hat, ist dies bestimmt ein spannender Abend gewesen. Ich kenne schon mehrere seiner Arbeiten und fand diesen Abend etwas substanzlos, hingegen seine letzte Performance in Berlin surnature einen wirklich vom Hocker gehauen hat.

Nichts desto trotz halte ich Roland Walter für einen tollen Künstler, der Menschen bewegen kann. Dieser Abend war aber leider nichts, zumindest nicht für mich.

558472_3114032385899_28276351_n(c) Thomas Epping

Was wäre wenn… – Ephraim Kishons Komödie „Es war die Lerche“ in München

theater…und so fort

Was wäre, wenn Romeo und Julia, das wohl berühmtste Liebespaar der Theatergeschichte, Shakespeares Drama überlebt hätten? Diese Frage beantwortet die Komödie „Es war die Lerche“ von Ephraim Kishon, die am vergangenen Mittwoch Premiere im Münchner theater…und so fort Premiere feierte.

Kishon zeigt das Ehepaar Romeo und Julia dreißig Jahre nach den Ereignissen des elisabethanischen Stücks. Da Julias Mutter ihren Schwiegersohn nicht leiden kann, gibt es auch keine finanzielle Unterstützung für die Tochter.

Sebastian Sash (Shakespeare), Wolfgang Haas (Romeo), Sonja Reichelt (Julia)
Sebastian Sash (Shakespeare), Wolfgang Haas (Romeo), Sonja Reichelt (Julia)

Auch Romeo stellte sich kurz nach der Hochzeit als armer Schnorrer heraus und muss nun als Ballettlehrer die holde Gattin und die zickige Tochter Lucrezia über Wasser halten. Auch das Liebesleben des Paares lässt seit Jahren zu Wünschen übrig, Romeos romantische Zuneigung zu seiner Wärmflasche Lisa trägt dazu nicht positiv bei.

Mitten im Ehestreit taucht zu allem Unglück auch noch William Shakespeare persönlich auf, der aus dem Grab auferstanden ist, um die Beziehung mit allen Mitteln zu retten. Doch stattdessen verliebt er sich in die rebellische Teenager-Tochter und brennt mit ihr durch.

Das Stück klingt chaotisch, und genau das ist es. Aber die Situationen wirken wie aus dem richtigen Leben gegriffen, etwa der schnarchende Ehemann oder das Aneinander-Vorbei-Reden beim Frühstück. In den zwei Stunden Theaterabend bleibt sicher kein Auge trocken. Das liegt vor allem an der detailreichen und kurzweiligen Inszenierung von Heiko Dietz und den drei Darstellern. Ganz in der elisabethanischen Tradition übernehmen die Darsteller mehrere Rollen, weshalb sie sich auch bei Shakespeare beschweren. Sonja Reichelt spielt neben der gelangweilten Ehefrau Julia auch Töchterchen Lucrezia und die alte, schrullige Amme Julias. Wolfgang Haas gibt einen herrlich schrägen Romeo und den doch sehr vergesslichen Pater Lorenzo, der gerne mal die Shakespeare-Figuren durcheinander bringt. Zuletzt noch Sebastian Sash als Willy Shakespeare, der im Gegensatz zum Ehepaar fast nur in Zitaten aus „seinen“ Werken kommuniziert und an dem Verhalten seines Traumpaars schier verzweifelt.

NebenLerche dem akribischen Zerstören des Traumpaar-Klischees wird auch ordentlich mit dem elisabethanischen Theaterwesen aufgeräumt. Die Figuren fragen sich etwa, warum manche immer ihre geheimsten Gedanken laut mit dem Publikum teilen, schließlich könnten sie auf der Bühne das genauso gut hören.

Das Stück macht sicher nicht nur Verheirateten und Shakespeare-Fans Spaß. Wer als Abschluss eines warmen Sommertags einfach nur eine große Portion Humor gebrauchen kann ist in dem kühlen Kellertheater in der Kurfürstenstraße mehr als gut aufgehoben.

Es gibt noch Vorstellungen am 16., 17., 18., 20., 21. und 22. August. Kartenpreise und Möglichkeiten zur Reservierung gibt es unter http://www.undsofort.de/stueck/es-war-die-lerche,396

the thing I am //on HALLE TANZBÜHNE BERLIN

Diesmal war ich besonders gespannt auf das neue Stück „the thing I am“ von Toula Limnaios. Die Werbefotos von HALLE TANZBÜHNE BERLIN versprachen eine Performance mit viel Wasser und Seen. Diese Erwartung wird leider nicht erfüllt.
Stattdessen findet man eine weiße Bühne vor auf der Menschen in hautfarbender Kleidung stehen. Sie fallen um und bewegen sich auf dem Boden fort, versuchen immer wieder aufzustehen fallen aber wieder. Die Träume nach Sehnsucht und Geborgenheit werden sehr gut dargestellt. Mit einem Rucksack auf dem Rücken oder einer Tasche in der Hand fallen die Tänzerinnen und Tänzer auf dem Boden, stehen wieder auf bis zur Erschöpfung. Besonders gut sind die Übergänge zwischen den Szenen.

In einer Szene halten die Darsteller ihre Hände vors Gesicht und bewegen sich im Traum. Ein bewegendes Bild. Es ist faszinierend wie es erneut gelungen ist mit einfachen Mitteln klare Bilder zu vermitteln. Allerdings hätte man den Schluss etwas interessanter gestalten können?

Berlin, Eberswalder Str. 10
2.-4. & 8.-11. & 15.-18. august 2013

Foto: Copyright © Cyan