PARFORCE Wortspielbühne: USED BODIES // ACUD Theater

Im ACUD Theater in Berlin-Mitte gibt es immer interessante Vorstellungen. Diesmal „PARFORCE Wortspielbühne: USED BODIES“ mit Benjamin Jorns, Marie Golüke und Teresa Geisler. Text und Regie sind von Andreas Neu. Vier Namen, die man sich merken sollte.
USED BODIES
Das Stück ist von den schauspielerischen Leistungen kaum zu übertreffen. Die drei Künstler spielen einfach hervorragend!
Im Inhalt geht es um Propheten, Mann und Frau. Manchmal ist er für das Publikum nicht leicht nachzuvollziehen. Es erfordert vom Zuschauer hohe Konzentration.
Ich habe irgendwann abgeschaltet dem Inhalt zu folgen und habe die schauspielerischen Talente genossen.
Der Zuschauer kann sich entscheiden – entweder mit Aufmerksamkeit dem Inhalt zu folgen oder sich mit den wunderbaren Fähigkeiten der Schauspieler unterhalten zu lassen. Beides lohnt sich.

ACUD Theater, Veteranenstr. 21, Berlin-Mitte

Weitere Vorstellungen: 23./24.02.2013

Was mach ich, wenn die Arktis schmilzt? – „Das Gummiboot“ von Georg Lichtenegger in der Black Box München

Gummiboot

„Das Gummiboot“ ist das bereits dritte Theaterstück des eigenwilligen Jungregisseurs und -autors Georg Lichtenegger. Darin suchen sechs Figuren unterschiedlicher Altersgruppen nach ihrer Daseinsberechtigung. Zum einen ist dort die Beamtin, welche in ihrem Beruf und der damit einhergehenden Verantwortung als vermeintliche Schaltstelle zwischen Gesetzgeber und Bürger voll auf zugehen scheint; daneben gibt es das steife, verklemmte und unterkühlte Paar, welches neue Spannung in seine Beziehung bringen möchte, in dem es eine Reise macht und zwar ausgerechnet zur kalten Arktis, – was ihrer Beziehung nicht gerade Feuer geben dürfte. Dann ist dort ein Junge, der kein Blatt vor den Mund nimmt und zum allgemeinen Ärger die von den Erwachsenen übernommenen, klugen Sprüche klopft. Sein Gegenspieler ist ein greiser Mann, welcher sich nur all zu gern an die alten Zeiten erinnert, als noch alles anders und besser war. Um sich auch heute zu Recht zu finden beschließt er den Namen einer anderen Person anzunehmen und landet schließlich, nachdem sein Favorit „Adolf Hitler“ abgelehnt wurde, bei „Claudia Schiffer“. Und zu guter letzt ist dort noch der Elektriker, welcher sozusagen die Rolle des Gärtners im typischen Kriminalroman übernimmt. Still werkelt er vor sich hin, ist aber letztlich im wahrsten Sinne des Wortes, der „Drahtzieher“ des gesamten Geschehens. Denn er diagnostiziert eine Überlastung des Systems und fordert zu dessen Wiederherstellung, dass irgendjemand dieser sechs Figuren aus dem System verschwinden müsse, da „einer zu viel ist“. Nun beginnt eine Schlacht der Daseinsberechtigungen. Jeder der Figuren versucht zu erklären, warum gerade sie unverzichtbar sei. Schließlich findet sich als einzig, möglich abschiebbarer Kandidat der Junge. Er will also los zur Arktis, wird jedoch schließlich daran gehindert, da er ja kein Gummiboot habe und man ausserdem „die Jugend nicht wegschickt“. Also kommt auch er nicht in Frage. Und das System funktioniert immer noch nicht. Es scheint sich eine Sackgasse aufzutun, ehe man auf die Idee kommt den Elektriker fortzuschicken, – doch wer repariert dann den Defekt? In dieser Endlosschleife werden Generationenkonflikte („Früher wäre das nicht passiert“), Abhängigkeiten („Schließlich sind wir doch alle darauf angewiesen“), Identitätskrisen und zwischenmenschliche Beziehungen verhandelt. Letztlich mündet das Ganze in einen Wutausbruch des Elektrikers, der zum einen an der Technik (der Gesellschaft?) verzweifelt und zum anderen nicht genügend Anerkennung für seine Mühen bekommt. Um endlich an sein Ziel zu gelangen (der Rest kann sich nicht entscheiden), erschiesst er kurzerhand die Frau, – um sich dann letztlich selbst verärgert von der Gruppe abzusetzen. Es ist also das Nichtfunktionieren des (technischen bzw. gesellschaftlichen) Systems, welches die Figuren enthemmt und gleichsam eine existentielle Krise auslöst: Ohne ihm geht es nicht.
„Das Gummiboot“ spielt auf einem circa fünf Quadratmeter großem Podest, auf welchem sich die Schauspieler wie auf einem Floß zusammendrängen. Dieses – mit nur einer Stunde bemessene – kurze Stück braucht angenehm wenig szenischen Aufwand um die Funktionsmuster und Grundkonflikte einer Gesellschaft aufzuzeigen. Der Text wird von der „elektroakustische Musik“ von Sebastian Peter unterstützt, wodurch eine bizarre Atmosphäre geschaffen wird.
Lichtenegger beweist sich mit diesem Stück als ein sensibler Beobachter zwischenmenschlicher Beziehungen. Manchmal war es mir, als würde er die einzelnen Typen in Loriot‘scher Manier etwas zu plakativ und stereotypisch heraus arbeiten, andererseits grenzen sie sich auf diese Weise zumindest sehr stark voneinander ab und symbolisieren wohl auch die üblichen einfältigen Typen unserer Gesellschaft. Mit Humor und bitterem Ernst wirft dieses Stück letztlich Fragen auf: nach der Definition des eigenen Selbst, nach Notwendigkeiten und Abhängigkeiten unseres modernen Lebens; Fragen über Egoismus und die eigene Rolle in der Gesellschaft und über das Funktionieren in derselben. Eines jedoch scheint klar: Weglaufen bringt nichts und wenn die Arktis schmilzt sind wir eh verloren. Es gibt kein Heilsversprechen.

Für weitere Informationen und einen Trailer:
http://www.gummi-theater.de/

Die Ausnahme, Episode II – Dock 11 // Tanzbau A+B

Dock 11 ist ein Ort in Berlin, wo man immer wieder Überraschungen erleben kann – von Performance bis Theater ist alles dabei. Diesmal die Performance „Die Ausnahme, Episode II“ von der Gruppe „A+B Tanzbau“.
Die Ausnahme
Zu Beginn liegt eine Frau auf einem Berg Kissen und schreibt in ihrem Tagebuch. Sie schreibt über ihre vergangene Liebe zu einem Partner. Unter den Kissen befindet sich ein Paar. Dieses Paar kommt in Bewegung. In Form einer hervorragenden Performance erzählen sie die Beziehung eines Paares. Von der Liebe bis zum Streit ist alles dabei. Es ist erstaunlich, wie diese Beiden verschiedene Situationen eines Paares darstellen: lustig und nachdenklich, aber durchwegs einen angenehmen bis leichten Charakter. Und es ist hervorzuheben, wie es immer wieder gelingt, die Spannung zu halten.
Besonders eindrucksvoll war für mich, wie die Beiden Rücken an Rücken gemeinsam den Alltag meistern. Meisterhaft war auch die Livemusik von Yuko Matsuyama, die im Hintergrund mit verschiedenen Techinken und Instrumenten gespielt hat. Interessant war ebenfalls, wie sie hin und wieder im Geschehen eingebunden wurde.
Eine Performance, die sowohl auf lustige Art, aber auch nachdenklich Themen eines Paares im Alltag darstellt.
Eine hervorragende Arbeit, die sich lohnt anzusehen.

Weitere Terminen
17. Februar und 21.-24. Februar//20:30 Uhr
Theater
DOCK11 – Kastanienalle 79 – 10435 Berlin
Fon: 030 – 351 20 312 (tägl. von 9 – 18 Uhr) // ticket@dock11-berlin.de // http://www.dock11-berlin.de
Tram-Station: M1 + 12 Schwedter Strasse
U-Bahn: Eberswalder Straße U2 oder Rosenthaler Platz U8

Einen Tag wie zehn Jahre leben – Oskar und die Dame in Rosa von Éric-Emmanuel Schmitt

Eine Produktion von kleines theater – KAMMERSPIELE Landshut /

mit Léonie Thelen, Regie: Petra Dannenhöfer.

Premiere im Teamtheater Tankstelle München am 15.02.2013.

„Oscar et la dame en rose“ kannte ich aus dem Französischunterricht und der Text des französischen Philosophen und Dramatikers  Éric-Emmanuel Schmitt hatte mich für eine Schullektüre schon auf ungeöhnliche Weise berührt. Zudem wurde die nun im Teamtheater München erstmals aufgeführte Inszenierung von Petra Dannenhöfer bei den Bayrischen Theatertagen 2012 mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Meine Erwartungen waren dementsprechend hoch.

Die Geschichte des neunjährigen Jungen Oskars, der unheilbar an Krebs erkrankt ist, und der Dame in Rosa („Mama Rosa“, wie nur er sie nennen darf) scheint auf den ersten Blick einfach gestrickt und spannungsarm: der kleine Patient beginnt seine Eltern zu hassen, da diese nicht mit seiner Krankheit umzugehen wissen, weshalb er enge Freundschaft schließt mit einer der älteren Damen, die Krankenbesuche auf der Kinderstation des Krankenhauses machen. „Mama Rosa“ überredet Oskar dazu Briefe an Gott zu schreiben, um so seine Angst vor dem Tod zu überwinden. Doch in den regelmäßigen Besuchen der alten Dame bei Oskar, ihren Unterhaltungen (sie erfindet für ihn Geschichten aus ihrer Zeit als Ringerin, berichtet von glorreichen Siegen gegen die skurilsten Gegnerinnen; er erzählt ihr von seinem Krankenhausalltag, wo ihn Menschen nur traurigen Blicks betrachten, auch wenn er gute Laune hat…) und schließlich den Briefen, die der Junge an Gott verfasst, werden Fragen menschlicher Existenz aufgeworfen und die Absurdität des Status von gesund oder krank sein demonstriert.

Diese Kammerspiel-Produktion zeigt eine begeisternde Solo-Nummer von Léonie Thielen, die sich mit großer Spiellust auf die beiden Hauptfiguren stürzt und in den jeweiligen Monologen oder Dialogpartien gleich noch ein dutzend Nebenfiguren zeichnet (wie etwa Oscars Krankenhauskumpels Einstein, Popcorn und Bacon oder seinen behandelnden Arzt Dr. Düsseldorf). Dafür sind jedoch keine zahllosen Kostümwechsel nötig. Die einmalige Andeutung der Figur „Oscars“ durch eine blau-weiß gestreifte Mütze genügt etwa, um der Schauspielerin fortan die beständigen Figurwechsel abzunehmen. Bald ist es selbstverständlich, dass auf der Bühne tatsächlich kein kleiner Junge rumhüpft.

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So gibt es keine einzige Stelle, die an eine Nacherzählung erinnern würde. Die Solo-Darstellerin unterstreicht durch unterschiedliche Färbungen ihrer Stimme und mit subtiler Körpersprache sowohl Mme Rosas energische und fantasievolle Aufmunterungs-Bemühungen als auch Oscars Zweifeln oder die Wut auf seine feigen Eltern. Unterstützt wird sie von einigen wenigen ausgesuchten Requisiten und einem vornehmlich in weiß gehaltenem Bühnenraum, der freilich die Grundsituation Krankenhaus etabliert, gleichsam aber mehr Räume durch Wortkulisse eröffnen lässt. Erweitert wird er an ausgewählten Stellen durch die Projektion der handschriftlichen Briefe Oscars. Musikalische Einspieler von verspielt-melancholischer Klavier – oder Gitarrennummern werden etwas überstrapaziert, doch die Mischung des Schneewalzers mit den Tönen technischer Krankenhaus-Monotonie ist wiederum genial und schön tieftraurig.

Der Theaterabend besticht durch die Einfachheit seiner Mittel und ihren feinsinnigen Einsatz – da muss auch nicht jeder Schritt im technischen Ablauf glücken. Aufgrund der starken Präsenz der Darstellerin, ihrer absoluten Konzentration auf die beiden Figuren, denen sie ihren Körper und ihre Stimme leiht, wird die besondere freundschaftliche Nähe von Mme Rosa und Oscar spürbar gemacht. Eine Nähe auch zwischen Léonie Thielen und dem Publikum. So wirken die humorvollen Pointen von Mme Rosas Geschichten ebenso wie das Leben des kleinen Oscars (der schließlich mit Gott Freundschaft schließt und 120 Jahre alt wird) tief anrührt. Die Wahl einer Solo-Darstellerin für diesen Text mag zudem als Hinweis darauf zu verstehen sein, dass die hier behandelten Themen für keine bestimmte Altersgruppe besonders geeignet sind, sonder schlicht jeden angehen. Damit setzt die Inszenierung – bewusst oder unbewusst – ein Zeichen gegen die Literaturkritik, die diesen Text Éric-Emmanuel Schmitts oft starren Blicks in die Kinder-und Jugendkategorie einzuordnen suchte.

Die Inszenierung eröffnet außerdem einen spannenden Zusammenhang von Theater und Tod bzw. Lüge und Spiel. Wenn Léonie Thielen als Mme Rosa am Schluss vom Tod des Jungen berichtet und erklärt, sie habe sich all die Geschichten für den Jungen nur ausgedacht, hat nicht nur sie etwas über das Leben gelernt. Auch wenn das Fazit womöglich etwas pathetisch klingt, kann ich einfach jedem diese Inszenierung ans Herz legen.

Weitere Vorstellungen in München sind am 16.2., 22.2. und 23.2. jeweils 20 Uhr und Informationen gibt es unter:

http://www.teamtheater.de/ttcms/index.php/tankstelle/oskar-und-die-dame-in-rosa/

Unterhaltsame Reise durch die Jahrhunderte – „Orlando“ in Landshut

kleines theater – KAMMERSPIELE Landshut

Mit der Adaption des Romans „Orlando“ lädt das kleine theater nicht nur zu einer lustigen Zeitreise durch das historische England ein, sondern greift zudem noch ein Thema auf, das erst seit kurzer Zeit in den Medien wieder häufiger thematisiert wird. Die Inszenierung basiert auf einem Roman der beliebten britischen Autorin Virginia Woolf aus dem Jahr 1928 und erzählt die Geschichte des jungen Adeligen Orlando, der 350 Jahre lang lebt, jedoch nicht so schnell altert und eines Morgens spontan das Geschlecht wechselt. Aus der Buchvorlage wurde von der Regisseurin Diana Anders ein zweistündiges Monologstück gemacht, in dem die Titelfigur jedoch nicht auftritt. Stattdessen wird sein/ihr Leben im Stil einer Fernsehshow inklusive Zeitzeugenberichten und Interviews dargestellt.

Sowohl der Moderator als auch alle Zeitzeugen werden von der Schauspielerin Barbara Kratz dargestellt, die schon beim Einlass an einem kleinen Schminktisch sitzt. Ihr einziger Spielpartner ist das minimalistische und wandelbare Bühnenbild von Franz Joseph Völlmecke, das aus einer Art metallenem Paravent besteht, der abwechselnd zur Landschaft, einem Sarg, einem Fenster oder der Londoner Skyline wird. Durch kleine Elemente wie einer Lichterkette oder einem Mond werden Tageszeiten, Paläste oder sogar andere Länder dargestellt. Zugleich ist es auch ein Umkleideraum für die Darstellerin, die dahinter in Sekundenschnelle in andere Rollen und wundervolle Kostüme von Christiane von Gizycki und Hedi Kratz schlüpft. Ein optisches Highlight ist zweifellos der erste Zeitzeuge, die britische Monarchin Elizabeth I., die bekanntlich dem Elisabethanischen Zeitalter ihren Namen gab, und die hier mit schwarzem Gewand und ausuferndem Kragen aus der königlichen Gruft steigt.

Neben den Life-Auftritten der Zeitzeugen gibt es auch ein Interview, eine Toneinspielung und einen kurzen Fernsehbericht, der allerdings durch einen zickigen Beamer verzögert wurde. Gerade die beiden Videobeiträge waren angesichts der schwierigeren Kostüme in diesen Szenen bestimmt notwendig, meiner Meinung nach aber auch überflüssig. Man hätte die Figuren sicher in anderer Form auf der Bühne darstellen können. Die beiden Videoeinspieler passten nicht so recht in die Inszenierung, die mit ihrem fantasievollen Bühnenbild und den Kostümen sehr an den Auftritt eines Märchenerzählers erinnerten und den Zuschauer in eine wundervolle Fantasiewelt hineinzieht. Doch das ist der einzige kleine Kritikpunkt.

Im Zentrum der Inszenierung steht immerhin immer noch das Schauspiel. Nicht nur durch die Kostüme sondern vor allem durch die extrem unterschiedliche Spielweise schafft es Kratz, grundverschiedene Figuren auf die Bühne zu bringen. Ob als putzig-schüchterne Haushälterin Orlandos, als resolute russische Prinzessin oder als stockbesoffener Dichter Nicholas Greene (der vor allem mit seinen Schimpftiraden über Shakespeare sehr an den elisabethanischen Autor Robert Greene erinnert), es ist immer überzeugend und vor allem meistens saukomisch. Doch man wird hier nicht nur bestens unterhalten, man lernt auch Einiges über die verschiedenen Jahrhunderte, die Orlando durchlebt und die Geschlechterrollen in diesen Zeiten. Immer wieder wird vom Moderator, der ebenso wie die Titelfigur zur Mitte des Stücks zur Frau wird, betont, wie anders es damals doch im Gegensatz zu heute ist. Man wird unweigerlich wieder an die Diskussionen um Sexismus in unserer Gesellschaft erinnert, die momentan durch die Medien geistern, und man fragt sich, ob heute alles wirklich so viel einfacher ist als damals.

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Eine Herausforderung für die Darstellerin war es sicher nicht nur, den zweistündigen Text zu lernen, sondern ihn auch noch ohne vierte Wand im direkten Kontakt mit den Zuschauern vorzutragen. Doch beides funktionierte einwandfrei, großer Respekt dafür!

Alles in allem wird einem hier in Landshut ein lustiger, fantasievoller und doch lehrreicher Abend geboten. Die Aufführungstermine können unseren „Veranstaltungstipps“ entnommen werden. Infos zur Kartenbestellung und zur Inszenierung gibt es auch hier:

kleines theater

Münchner Kammerspiele – Fegefeuer in Ingolstadt

Susanne Kennedys Inszenierung von „Fegefeuer in Ingolstadt“ an den Kammerspielen lässt sich mit einem Wort beschreiben: Interessant. Dass interessant beim Theater aber auch unglaublich anstrengend bedeuten kann, habe ich hier wieder einmal zu spüren bekommen. Für alle, die „Fegefeuer in Ingolstadt“ nicht kennen, lohnt es sich, die Inhaltsangabe vorher zu studieren. Teilweise sind Zusammenhänge schwer zu verstehen, was der Sprache Fleißers geschuldet ist.

Das Geschehen spielt sich unter Schülern ab, die als solche aber nur aufgrund von Kostüm und Maske nicht zu erkennen wären. Olga (Çigdem Teke) erwartet ein Kind von Peps, der aber eine neue Freundin hat. Ihr Mitschüler Roelle, gespielt von Christian Löber, ist Außenseiter und wird von den anderen als hässlich und stinkend beschimpft. Er erpresst Olga mit dem Wissen um einen von ihr geplanten Schwangerschaftsabbruch und stellt ihr nach, was die Eifersucht von Olgas Schwester Clementine (Anna Maria Sturm) weckt. Schließlich sieht sich Olga gezwungen, ihrem Vater von der Schwangerschaft zu berichten, da Roelle Gewalt anwenden will, um ihr nahe zu sein. Die junge Frau trifft nicht auf das erhoffte Verständnis und versucht, sich zu ertränken, wird aber von Roelle gerettet. Weitere Figuren sind Protasius und Gervasius, die ursprünglich als undurchsichtig beschrieben und hier etwas ins Lächerliche gezogen sind.

Weil er einem Hund die Augen ausstach, ist Roelle unterdessen von der Schule geflogen. Er gibt sich als Vater von Olgas Kind aus. Roelle glaubt nach einigen Streitereien mit Olga, dass er an ihrer neuen Außenseiterrolle schuld ist und will beichten. Den Beichtzettel isst er aber auf, weil er sich dann doch nicht traut.

Das Bühnenbild von Lena Müller ist schlicht weiß gehalten. Es ist ein Raum in einem Haus dargestellt, an der Wand hängt ein Kruzifix. Der Bezug zur Religion ist allgegenwärtig. Das Licht flackert und schafft eine bedrohliche Atmosphäre. Ich habe zuerst an ein Irrenhaus gedacht, als ich die Bühne und die Figuren gesehen habe. Denn alle wirken krank, nicht zurechnungsfähig und erstarrt. Jeder bekämpft hier jeden, ein Miteinander gibt es nicht. Der Ton kommt vom Band. Die Schauspieler sind also in den rund 100 Minuten angehalten, das Playback mimisch einzuhalten. Das gelingt (bewusst?) nicht immer. Kennedy hat Peps und Hermine zudem ganz gestrichen und das Stück gekürzt.

Was am Anfang noch interessant wirkt – diese künstlich anmutenden Geschöpfe, die mehr Puppe als Mensch sind und nicht wirklich von der Stelle kommen – wird im Verlauf der Vorführung langweilig. Denn schon nach kurzer Zeit ist der weitere Verlauf absehbar. Ich ertappe mich dabei, mit den Gedanken abzuschweifen. Neben mir schnauft eine ältere Dame zunehmend genervter und als Roelle in der Szene mit dem Beichtzettel seine Handlungen immer wiederholt, bewegt sich der Zuschauer an der Grenze zum Ertragbaren.

Die letzte Szene dreht sich um eine Gebets-Litanei, die nicht enden wollend wieder und wieder und noch einmal von allen Darstellern eingesprochen wird. Trauten sich vorher nur wenige Zuschauer aus dem Saal, steht jetzt ein ganzes Rudel auf; einige klatschen verfrüht Beifall, um dem Geschehen auf der Bühne ein Ende zu machen. Jemand ruft „Na dann geht doch nach Hause, wenn ihr sowas nicht ertragen könnt.“ Recht hat er. Applaus gibt es trotzdem viel; als die Regisseurin die Bühne betritt, kassiert sie allerdings viele Buh-Rufe. Wer einen Hang zu Fleißers Texten hat und nicht auf leichte Kost steht, dem sei die Aufführung ans Herz gelegt. Ansonsten würde ich das Stück – obschon einige interessante Momente aufflackern – nicht zur Empfehlung aussprechen.

Es spielen: Christian Löber, Anna Maria Sturm, Çigdem Teke, Heidy Forster, Marc Benjamin, Walter Hess, Edmund Telgenkämper. Weitere Vorstellungen sind am 17.02., 24.02., 04.03., 15.03., 21.03. sowie am 30.03.2013.

Jan Gehlers „Werther“ im Volkstheater

Werther, ein junger Mann ohne wirkliches Ziel, verliebt sich in Lotte, die sich ebenfalls angezogen fühlt. Das Dilemma: Sie ist schon Albert versprochen und möchte sich auch nicht von ihm trennen. Trotzdem will sich Werther damit nicht abfinden; sein Werben gibt er nicht auf. Für ihn endet die Liaison tragisch. Der 1983 geborene Regisseur Jan Gehler bringt im Volkstheater den Klassiker in einer sehr modernen Version auf die Bühne.

Die Briefe, die Werther bei Goethe an Wilhelm adressiert, werden hier gekürzt direkt an den Zuschauer gerichtet. Das Interessante ist, dass alle Figuren Werthers Text sprechen – es wurden die Passagen herausgesucht, welche jeweils passend für den Charakter sind. Neben Werther, Albert und Lotte sind noch Wilhelm und Sophie mit von der Partie. Alle stehen sie als Vertreter für unterschiedliche Erfahrungen mit der Liebe, alle haben sie etwas gemein: Für keinen der Figuren ist die Liebe leicht, jeder hat sein Päckchen zu tragen.

Copyright: Arno Declair
Werther sieht am Ende nur den Selbstmord als Ausweg. Copyright: Arno Declair

Mara Widmann spielt die Lotte, die zwischen zwei Männern steht. Werther wird sehr gut von Pascal Riedel verkörpert, Sohel Altan G. spielt den Nebenbuhler Albert. Justin Mühlenhardt ist Wilhelm, der am Ende so von seinen Gefühlen überwältigt wird, dass er seine Geliebte und deren Ehemann umbringt. Die Nüchternste ist Sophie, gespielt von Lenja Schultze. Sie kommentiert das Geschehen, indem sie unglücklich ausgegangene Liebesgeschichten erzählt, ihre eigene jedoch für sich behält. Sie scheint mit dem Gefühl der Liebe abgeschlossen zu haben. Mit Hinzunahme der beiden Figuren Sophie und Wilhelm liegt der Fokus nicht mehr wie im Roman nur auf der tragischen Dreierkonstellation.

Copyright: Arno Declair
Copyright: Arno Declair

Das Bühnenbild (Sabrina Rox) ist unspektakulär. Eine weiße Treppe fungiert als Diagonale, die den Bühnenraum trennt. Oben befindet sich nur Lottes heile Welt, unten spielt sich das Geschehen im Gesamten ab. Da kommen dann auch viele Bierdosen und Clubsound zum Einsatz. Das alles trägt dazu bei, dass sich vor allem auch junge Leute angesprochen fühlen. Im Zusatzmaterial des Volkstheaters heißt es: „Es gibt so ein paar Stellen, wo jeder sich etwas „rauspicken“ kann – gerade, weil die Liebe jedem bekannt ist, gerade weil jeder Erfahrungen mit Liebe hat“. Dem kann ich nur zustimmen. Fazit des Abends: Ein Kaleidoskop der Liebe, das sehenswert ist!

Weitere Vorstellungen sind am 14.02., 15.02., 25.02., 01.03., 20.03., 21.03., 05.04., 06.04.

Am liebsten zu Dritt – Rambazamba Berlin

Am liebsten zu Dritt. So lautet das neue Schauspiel von Gisela Höhne im Rambazambatheater in Berlin.
Am liebsten zu Dritt
Eine Gruppe von Menschen mit Down-Syndrom überfallen ein Hotel und nehmen die Hotelgäste fest. Sie wollen, dass die Welt nach ihren Vorstellungen lebt. Dass alle sich nach ihnen richten. Die Männer werden festgenommen und die Frauen weggeschickt. Dann wird von den Männern erwartet, dass sie mir den Frauen mit Down-Syndrom eine Nacht verbringen, damit sie Kinder bekommen. Mit lustigen Szenen, Dialogen und Liedern wird die Show aufgezogen. Später kommen die Frauen von den Männern zurück in das Hotel mit der Bemerkung: „Ist hier kein Mann?“ Darauf ein Mann mit Down-Syndrom: „Bin ich kein Mann?“ Immer wieder wird das Thema: Down-Syndrom auf eine lustige und nachdenkliche Weise aufgezeigt. Höhne hat es wieder geschafft, mit vielen unterschiedlichen Elementen ein wichtiges Thema unserer Gesellschaft anzupacken. Der Kern dieses Schauspiels ist die seit August 2012 neue Bestimmung, dass der Verdacht auf Menschen mit Down-Syndrom mit einem pränatalen Bluttest getestet wird. Höhne hat es wieder ausgezeichnet verstanden, das Thema den Zuschauern nahe zu bringen. Eine wunderbare Inszenierung. Es lohnt sich auf alle Fälle, diese Darbietung anzuschauen und die wunderbaren Schauspieler zu bewundern. Mich faszinieren die Künstler mit Down-Syndrom.

Es kommt zu einem Happy End mit vielen Kindern. Aber auch das Happy End hat einen nachdenklichen Charakter. Es ist mit der Idee verknüpft, Patenschaften für Eltern, die ein Kind mit Down-Syndrom erwarten.

Weitere Vorstellungen: 9.2., 13.2., 15.2., 16.2. um 19 Uhr, sowie am 12.2. um 12 Uhr
Ort: Theater RambaZamba in der Kulturbrauerei Berlin
Kartenreservierungen: 030-44049044 oder info@theater-rambazamba.org

Die Heimkehr des Don Juan – Marc von Henning

Monsun Theater

KLICK

Die Abschlussinszenierung der Absolventen des Hamburger Schauspiel Studio Frese.

Es wird „Die Heimkehr des Don Juan“ von Ödön von Horváth gespielt. Sechs Frauen und ein Man machen ihren Abschluss mit dieser Inszenierung und man möchte sie am liebsten Fragen, ob  das wirklich ihr Ernst ist!?

Christopher Jungbluth als Don Juan stellt hier ein arrogantes Arschloch ohne Facetten dar. Die Frauen verkörpern verschieden Rollen. Eine Szene folgt der Nächsten, dazwischen ist nichts außer dem gleichen Bühnenbild. Der einzige rote Faden sind die unzähligen Affären des Don Juan. Warum er das macht, was psychologisch dahinter steckt, kommt leider nicht zum Vorschein.

Die Geschichte erzählt von Don Juan, der nach dem 1. Weltkrieg wieder in sein Land kommt und dort unzählige Affären hat. Kurz wird versucht mit einem Monolog und  einer Videoprojektion von den Schrecknissen des Krieges zu erzählen. Gelingt aber nicht wirklich. Christopher Jungblut zeigt keine Tiefe, keine Verletzlichkeit, nichts. Er hat eine aalglatte Oberfläche und das ist für einen Figur nicht unbedingt das Beste.

Ich kenne das Stück nicht, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass Horváth damit nicht nur die Affären eines Kriegsheimkehrers zeigen wollte, sondern vielmehr die Schwierigkeit für Soldaten wieder ins normale Leben zurückzukehren. Vielleicht quälen ihn in der Nacht Alpträume  und er versucht seine Leere mit den Mädchen zu tilgen!? Man wird durch diese Inszenierung nicht erfahren, was wirklich in dem Kopf von Don Juan steckt und mit welchen Geistern er kämpfen muss.

Auch die Frauen verkörpern meistens nicht sehr überzeugend Stereotypen von Frauen. Mal sehen sie aus als hätten sie gar keine Lust auf der Bühne zu stehen, mal sind sie übereifrig. Ab und zu gab es ein paar kleine Momente des aufblitzenden Talentes aber im Großen und Ganzen hat mich das Schauspiel nicht sehr überzeugt.

Wahrscheinlich hat auch die Regie hier einen Teil dazu beigetragen. Marc von Henning inszenierte hier lose aneinander hängende Szenen, eigenwillige Tanznummer ohne Bezug und jeder der grad nicht dran war musste in der Ecke warten. Hier versuchte man dann so zu tun als beobachte man das Stück von unten, von außen sozusagen.

Ich persönlich hätte von Absolventen einer Schauspielschule mehr erwartet und auch wenn sie als die beste private Hamburgs gilt: Mich hat sie nicht überzeugt.

Don_Juan

 

Das Suchen nach der eigenen Sprache – „The King’s Speech“ auf Tournee durch Deutschland

Asamtheater Freising, 1. Februar 2013

 

Großes Kino auf der Bühne. Nicht nur in Hinblick auf das Theaterstück, das gerade unter der Regie von Helmuth Fuschl mit großem Erfolg durch die Bundesrepublik tourt. Die männlichen Hauptrollen werden mit Götz Otto und Steffen Wink von international erfolgreichen Schauspielern verkörpert.

Sicherlich ist der oscarprämierte Film aus dem Jahr 2011 „schuld“ an dem Erfolg, den das Theaterstück von David Seidler derzeit auf den Bühnen Deutschlands feiert (es wird derzeit unter anderem auch am St. Pauli Theater Hamburg gespielt). Das Stück wurde zwar schon vor vielen Jahren geschrieben, durfte aber erst nach dem Tod Der „Queen Mum“ im Jahr 2002 aufgeführt werden. Eher unbekannt ist, dass der Film mit Colin Firth und Geoffrey Rush eben auf diesem Theaterstück basiert. Seidler schrieb auch das Drehbuch für diesen Film und erhielt dafür ebenfalls einen Oscar.Götz Otto als King George VI.

Wer jetzt aber erwartet, bei der Tournee-Produktion den Film auf der Bühne zu sehen hat sich sehr getäuscht. Glücklicherweise hat Fuschl nicht versucht, den Kinoerfolg eins zu eins nachzuerzählen, sondern machte aus der Textvorlage eine ganz eigene Interpretation. Klar erkennt man den ein oder anderen Dialog und manche Szenen wieder, doch während manche Episoden wegen des kleineren Figurenpersonals herausgekürzt wurden, erhält man dafür zum Teil auch tiefere Einblicke in die Verhältnisse der Figuren untereinander, vor allem der kleinen Ehekrise zwischen Sprachtherapeuten Lionel Logue und seiner Frau Myrtle, die eigentlich wieder in die australische Heimat zurückkehren will. Die Geschichte wird in Episoden erzählt, man erfährt also neben der bereits bekannten Story auch noch einiges über die Hintergründe, etwa wie Logue nach England kam oder wie die Politiker hinter dem Rücken der Monarchen die Fäden ziehen.

Das Bühnenbild ist – wegen der Tournee – sehr minimalistisch. Nur ein paar graue Wände, zwei Türen an den Seiten und einer Schiebetür im Hintergrund, die meistens zum Aufnahmeraum oder zur Bühne wird. Auch an Requisiten wird gespart, nur ein paar Gläser, ein Flugzeugmodell und das Mikrofon, das der Hauptfigur solche Probleme bereitet. Anfangs war dieser Minimalismus etwas gewöhnungsbedürftig, aber schnell merkt man, dass so die Konzentration ganz unweigerlich auf die Darsteller gelenkt wird, was gut so ist. Ich habe mir ja etwas Sorgen gemacht, dass die beiden erfolgreichen Stars die ganze Zeit über im Mittelpunkt stehen würden, aber das ist ganz und gar nicht der Fall. Es ist ganz klar ein Ensemble-Stück und man merkt, dass die Darsteller in der langen Spielzeit gut harmonieren.

Ich kannte Hauptdarsteller Götz Otto alias „Bertie“ bisher nur aus Film und Fernsehen, aber auch auf der Bühne hat der extrem große Schauspieler eine ebenso große Ausstrahlung. Vor allem der Stottern der Figur ist extrem authentisch dargestellt und wirkt keine Sekunde lang aufgesetzt. Man leidet wirklich mit. Auch schafft er es, dass man nicht den „Star“ Otto auf der Bühne sieht, sondern nur die Figur, was wieder für die starke Ensemblearbeit spricht. Ihm zur Seite steht Daniela Kiefer als Elizabeth. Während er mit jedem Wort ringt, wirkt sie stets kontrolliert und repräsentativ. Und trotzdem sieht man in den privaten Szenen auch die liebevolle Gattin, die ihrem Mann den Rücken stärkt.

Der erfolgreiche Sprachtherapeut / erfolglose Schauspieler Lionel Logue wird von Steffen Wink gespielt, der seiner Rolle eine gute Portion Humor, Ironie und vor allem Selbstbewusstsein verleiht. Den Szenen, in denen er seinem Patienten Albert frech gegenüber tritt, stehen jedoch zwei Castings für Shakespeare-Stücke gegenüber, bei denen die Figur kläglich scheitert. Dazu kommt noch, dass er sich auch noch mit dem Heimweh seiner Frau Myrtle auseinandersetzen muss, die von Mona Perfler verkörpert wird. Myrtle unterstützt ebenso wie Elizabeth ihren Mann bedingungslos, ist aber ebenso selbstsicher wie dieser. Wunderschön sind die privaten Szenen zwischen Lionel und seiner Frau, die im Film zum großen Teil fehlen. So sieht man viel deutlicher die Parallelen zwischen den beiden Paaren.

King 1

Die restlichen Rollen werden zum Teil in Doppelbesetzung von Christian Claaszen als Erzbischof von Canterbury, Harald P. Wieczorek als Winston Churchill und Alberts Vater George V. und Herbert Schäfer als Berties Bruder David und Premierminister Baldwin. Auch, wenn die Figuren nicht so große Rollen spielen, ist vor allem die Szene zwischen Albert und seinem Bruder sehr beeindruckend.

Alles in allem ein tolles Stück, das selbst Fans des Films noch viel Neues zu bieten hat, eine tolle Inszenierung und ein wundervolles Ensemble. Sehr empfehlenswert! Und das ganz und gar nicht nur wegen der Hauptdarsteller.

Die Inszenierung reist noch bis 15. März durch Deutschland, die Spieltermine und -orte findet man hier.

http://www.kempf-theater.de/download/spielorte_king_2012-2013.pdf

http://www.kempf-theater.de/king/index.shtml